Freiwillige Rückkehr? Die Bedeutung der unabhängigen Rückkehr- und Perspektivberatung
Vergangene Woche hat die EU-Kommission ihre Strategie für freiwillige Rückkehr und Wiedereingliederung vorgestellt. Derzeit verlassen etwa nur rund 30 Prozent der Ausreisepflichtigen tatsächlich die EU und nur ein Drittel von ihnen tut es freiwillig. Erklärtes Ziel der EU-Kommission ist es, diese Zahlen zu erhöhen - nicht zuletzt, da die freiwillige Rückkehr aus staatlicher Sicht kostengünstiger ist als eine Abschiebung. Neben einer engeren Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten soll auch die Rückkehrberatung intensiviert werden. Die EU-Kommission will hierzu gemeinsam mit der Grenzschutzagentur Frontex einen gemeinsamen Lehrplan für Rückkehrberatende entwickeln. Doch was macht eine gute Rückkehrberatung eigentlich aus?
Seit vielen Jahren bieten die Wohlfahrtsverbände Rückkehr- und Perspektivberatung an, darunter auch das DRK. Inga Matthes, Referentin für den Themenbereich Flucht im DRK-Generalsekretariat, hat mit Ursula Schneider vom DRK-Kreisverband Freiburg gesprochen, die seit 2012 in der Rückkehr- und Perspektivberatung tätig ist. Die gemeinsame Rückkehr- und Perspektivberatung des DRK-Landesverbands Badisches Rotes Kreuz mit den DRK-Kreisverbänden Freiburg und Bühl-Achern wird aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union kofinanziert. Das Interview, das zuerst im Blog der DRK-Wohlfahrt erschienen ist, stellen wir hier nochmals vor.
Welche Personen suchen Ihre Beratung auf?
Was viele nicht wissen: 95% der Menschen, die zu uns in die Beratung kommen, wollen gar nicht ausreisen, sie sind aber ausreisepflichtig aus den unterschiedlichsten Gründen. Die Rückkehr ist meist also nicht wirklich „freiwillig“. Aktuell suchen uns überwiegend alleinstehende Männer auf, es kommen aber auch Frauen und Familien mit Kindern. Die häufigsten Herkunftsländer sind derzeit Irak, Pakistan, Afghanistan, Türkei, China, afrikanische Länder und die Westbalkanstaaten. Viele unserer Klientinnen und Klienten leben bereits seit mehreren Jahren in Deutschland, haben eine eigene Wohnung und arbeiten sogar – trotzdem sind sie ausreisepflichtig. Und: immer mehr unserer Klientinnen und Klienten haben gesundheitliche Probleme, etwa physische und psychische Erkrankungen, wie Depressionen und Suchterkrankungen.
Wie können Sie und Ihr Team diese Personen unterstützen?
Wir bieten eine ergebnisoffene Beratung an, in der die Interessen der ratsuchenden Person im Mittelpunkt stehen. Wir informieren über Möglichkeiten und Grenzen einer freiwilligen Rückkehr und treffen dann meist eine Zielvereinbarung und stimmen die einzelnen Schritte ab. Im Vorfeld einer Rückkehr gibt es viel zu tun: wir unterstützen bei der Kommunikation mit Ausländerbehörden, Botschaften und Konsulaten, Ärztinnen und Ärzten, Arbeitsstellen, Jobcentern und Schulen sowie bei der Beschaffung von Reisedokumenten und Urkunden. Wir helfen beim Stellen der REAG/GARP-Anträge und vermitteln gegebenenfalls in Reintegrationsprojekte im Herkunftsland. Dann die Organisation der Ausreise, manchmal begleiten wir die Person zum Flughafen und wir bieten auch an, nach der Rückkehr weiter den Kontakt zu halten. Das kann hilfreich sein für den Fall, dass es Probleme mit dem Reintegrationsprojekt vor Ort gibt.
Was sind Ihrer Ansicht nach die Bedingungen für eine gelungene Rückkehr?
Wir sind uns bewusst, dass unsere Klientinnen und Klienten oft in die Lebenssituation zurückkehren, aus der sie geflohen sind. Meist hat sich an der Ausgangslage wenig geändert. Ob eine Rückkehr „gelungen“ ist, hängt deshalb von vielen individuellen Faktoren ab. Eine sorgfältige, selbstbestimmte Vorbereitung, ausreichend Zeit, sich mit der Rückkehr auseinanderzusetzen und gegebenenfalls die Aussicht auf weitere Unterstützung im Herkunftsland können hilfreiche Faktoren sein. Eine wesentliche Rolle spielt in diesem Prozess auch die Herkunftsfamilie. Sie ersetzt in den meisten Rückkehrländern das oft unzureichende Sozialsystem. Besonders schwer haben es daher Alleinstehende, die nicht auf die Unterstützung der Familie zählen können. Das betrifft z.B. alleinstehende junge Afghanen, die nie in Afghanistan, sondern mit ihren Familien im Iran oder Pakistan gelebt haben.
Was unterscheidet die Rückkehrberatung des DRK und anderer Wohlfahrtsverbände von der Beratung durch staatliche Stellen?
Unsere Klientinnen und Klienten sind oft hin und her gerissen zwischen der Frustration, in Deutschland nicht erwünscht zu sein, der Hoffnung, dass es trotzdem noch eine Bleibeperspektive für sie geben könnte und der realistischen Einschätzung, dass sie zurückkehren müssen. In dieser Situation ist es wichtig, dass sie eine menschlich und fachlich kompetente Beratung und Begleitung erhalten. Als Beratungsstelle des DRK arbeiten wir nach den Grundsätzen der Menschlichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit.
Unser Auftrag ist die Anwaltschaft für Menschen in Not. Dieser Auftrag unterscheidet sich unseres Erachtens vom Auftrag staatlicher Stellen, die letztendlich angehalten sind, eine möglichst hohe Zahl an freiwilligen Rückreisen zu generieren. Die oben erwähnte Kooperation der EU-Kommission mit Frontex und deren Ansatz, schon möglichst frühzeitige Rückkehr zu organisieren, machen den Unterschied sehr deutlich. Unser Beratungsansatz ist zeitintensiv, hat aber auch im besten Fall die höchste Wahrscheinlichkeit, dass die Entscheidung zur freiwilligen Ausreise nachhaltig ist.
Herzlichen Dank für das Interview und alles Gute weiterhin für Sie und Ihr Team bei Ihrer wichtigen Arbeit!
Hier geht es zur Strategie der EU-Kommission für Freiwillige Rückkehr und Wiedereingliederung, vorgestellt am 27.04.2021